"Stempel", d. h. Brandmarke bei Menschen und Tieren
Englisch
"stamp", "seal", i. e. burn mark on humans and animals
Französisch
"cachet", c’est-à-dire marque à feu chez hommes et animaux
Italienisch
"bollo", "timbro", cioè marchio a fuoco degli esseri umani ed animali
Spanisch
"estampilla", "timbre", es decir señal de quemadura de seres humanos y animales
Sachgruppe
Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen, Obligationenrecht, Kauf, Rechtssetzung, Rechtspflege, Verwaltung
Frühester Beleg:
P.Hib. II 198, 87 (einziger Beleg für Brandmarke bei Menschen; nach 242 n. Chr.; Arsinoites)
P.Oxy. VIII 3915, 5-6 (frühester Beleg für Brandmarke bei Tieren; 07.-08.09. 30 n. Chr.; Oxyrhynchos)
Die bislang (11.12. 2018) weiteren Belege für "Brennstempel" (Preisigke, Fachwörter) bei Tieren sind P.Gen. I2 29, 8-9 (30.01. 137 n. Chr.; Soknopaiou Nesos / Arsinoites); BGU I 88, 7 23.12. 146 n. Chr.; Soknopaiou Nesos / Arsinoites) und Stud.Pal. XXII 30, 8-9 (20.04. 158 n. Chr.; Arsinoites).
In vergleichsweise wenigen papyrologischen Texten bezeichnet χαρακτήρ eine Brandmarke bei Menschen oder Tieren; dass dies bei Menschen vorzufinden ist, wird dabei bislang nur in P.Hib. II 198, 87 mit χαρακτήρ angezeigt, vgl. dazu den Kommentar M.-T. Lengers und E. G. Turners zu P.Hibeh II 198 a. a. O.
Dass Tiere gebrandmarkt wurden, ist dagegen häufiger bezeugt, wenngleich auch hierbei eher selten χαρακτήρ als vielmehr das Verb χαράσσω zu lesen ist (vgl. dazu nFWB s. v.χαράσσω (II.)). Zur Kennzeichnung von Tieren vgl. z. B. M. Schnebel oder P. Schubert und I. Jornot in P.Gen. I2 je a. a. O.
P.Gen. I2 29, Komm. zu Z. 8-9, S. 126-127. P.Vind.Worp 9, Komm. zu Z. 5, S. 96-97. Callender, J. F., A Camel Sale from Oxyrhynchus, BASP 7/1, 1970, 7-8, Komm. zu Z. 9, S. 8 (= ed. pr. von P.Oxy. XLI 2998; Link zum Beitrag). P.Hib. II 198, Komm. zu Z. 86f., S. 98-99. Schnebel, M., Die Landwirtschaft im hellenistischen Ägypten, München 1925, 334.
Stempel, Siegel, Untersiegelung auf Dokumenten
Englisch
stamp, seal, "Untersiegelung" on documents
Französisch
cachet, sceau, "Untersiegelung", sur documents
Italienisch
bollo, sigillo, "Untersiegelung" negli documenti
Spanisch
estampilla, sello, "Untersiegelung" en documentos
Sachgruppe
Handel und Verkehr, Transport- und Lieferungswesen, Rechtssetzung, Rechtspflege, Verwaltung, Steuerwesen, Steuer- und Zollquittungen
Möglicherweise früher, jedoch nicht genauer zu datieren sind P.Lond. II 469 b, 7 (2. Jh. n. Chr.; Karanis / Arsinoites); Stud.Pal. XXII 9, 9; Stud.Pal. XXII 10, 7-8 (beide 2. Jh. n. Chr.; Philopator alias Theogenus / Arsinoites); Stud.Pal. XXII 150, 8 (2. Jh. n. Chr.; Soknopaiou Nesos / Arsinoites); P.Customs 381, 8 (2.-3. Jh. n. Chr.; Tebtynis / Arsinoites); P.Customs 477, 5 (2.-3. Jh. n. Chr.; Philadelphia / Arsinoites); P.Lips. I 81, 3 (2.-3. Jh. n. Chr.; Soknopaiou Nesos / Arsinoites).
Ein weiterer später Beleg ist P.Stras. V 469 bis (16.09. 210 n. Chr.; Polydeukia / Arsinoites).
Im Sinne eines Stempels oder Siegels auf Dokumenten figuriert χαρακτήρ fast ausschließlich in römischer Zeit; hier sind es zumeist Torzollquittungen (vgl. einleitend P.Oxy LXIX 4740-4741, Einl. S. 178 und 4741-4744, Einl. S. 181), an deren Ende der Vermerk χωρὶς χαρακτῆρος ('ohne Stempel') zu lesen ist. Damit wird angezeigt, dass die Zoll- oder Steuerquittung auch ohne amtlichen Stempel gültig ist, vgl. dazu z. B. K. Vandorpe a. a. O.
Vandorpe, K., Seals and Stamps from Graeco-Roman and Byzantine Egypt, hier: Abschnitt VI. "Untersiegelung", online zu erreichen unter https://www.trismegistos.org/seals/overview_A.html, Leuven-Heverlee 2010 (zuletzt abgerufen am 11.12. 2018; vgl. die Bibliographie dort). P.Customs, S. 13-14.
χαρακήρ in P.Tebt. III.1 703, 154 bezeichnet vermutlich die Versiegelung von Ölpressen. Dadurch soll verhindert werden, dass diese unrechtmäßig zum Einsatz kommen und so den staatlichen Anspruch auf die alleinige Kontrolle über die Ölproduktion und die daraus resultierenden Einkünfte untergraben, vgl. dazu die Erläuterungen M. Rostowzews zu P.Tebt. III.1 703 sowie den Komm. a. a. O.
Im Sinne von 'Erscheinung' ist χαρακτήρ in den papyrologischen Urkunden bislang nur selten vorzufinden; so sind die oben genannten beiden Stellen m. E. die einzigen Belege dafür. Dabei verweist die Parallelstellung von χαρακτήρ zu χροιά und εἶδος in P.Oxy. XXXI 2603, 6-7 deutlich auf die äußerliche Erscheinung (des Menschen), während χαρακτήρ in Chr.Mitt. 80, 21-22 als Erscheinung eher einem damit verbundenen Wesen gegenübergestellt wird; so gehe es bei einer Erbschaft eben nicht nur darum, diese zu beanspruchen, sondern auch den daraus sich ergebenden Verpflichtungen nachzukommen, d. h. ererbte Schulden zu bezahlen (vgl. ἀλλὰ καὶ τὰ ὀφ[ειλό-] | μενα ὑπὸ τῶν κληρονομηθέντων ἀποδ[ιδ]όναι in Z. 22-23).
Zu erstgenannter Bedeutungsnuance, der äußerlichen Erscheinung, s. den Komm. von J. H. Harrop a. a. O. (mit weiteren Literaturangaben).
Harrop, J. H., A Christian Letter of Commendation, JEA 48, 1962, 132-140, bes. Komm. zu Z. 6, S. 134 (= ed. pr. von P.Oxy. XXXI 2603). Mitteis, L., VII. Aegyptischer Schuldprozeß v. J. 84/86 p. Chr., ZSR 27, 1906, 220-228 (zu Chr.Mitt. 80).
Heiligenbildnis, Kaiserbildnis
Englisch
effigy of a saint, imperial effigy
Französisch
image saint, effigie impérial
Italienisch
immagine sacra, effigie imperale
Spanisch
imagen, retrato imperial
Sachgruppe
Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen, Obligationenrecht, Bürgschaft, Rechtssetzung, Rechtspflege, Verwaltung, Allgemeine Verwaltung
ὁπόταν δὲ ζητουμενον (l. ζητούμενος) παρὰ τῆς [ὑ]μῶν ἐντρεχείας, τοῦτο\ν/ παρενεγκεῖν καὶ παραδώσομεν ὑμῖν̣ ἐν δημοσίῳ τόπῳ ἐκτὸς ἁγίων περιβόλων καὶ θείων χαρακτήρων καὶ ἁγίας κυριακῆς ἐν τω (l. ᾧ) παρειλήφαμεν σχήματι. (P.Flor. III 284, 9-12, vgl. weiterhin z. B. P.Cair.Masp. III 67334, 8-12 oder P.Oxy. XIX 2238, 13-17)
Erläuterungen
Wie J. R. Rea im Komm. P.Oxy. LV 3791, 3 a. a. O. konstatiert, findet sich der hier repräsentierte Ausdruck θεῖος χαρακτήρ in der Regel in Bürgschaftsurkunden der byzantinischen Zeit. Mit Formeln wie der oben (unter "Formeln") exemplarisch angeführten verspricht die ausstellende Person gegebenenfalls "to produce another person in a public place ἐκτὸς ἁγίων περιβόλων καὶ θείων χαρακτήρων, 'remote from holy precincts and imperial portraits', i. e. away from places where he might claim asylum", vgl. ebd. (mit weiteren Literaturangaben) und siehe auch B. Palme a. a. O.
Palme, B., Asyl und Schutzbrief im spätantiken Ägypten, in: Dreher, M. (Hg.), Das antike Asyl. Kultische Grundlagen, rechtliche Ausgestaltung und politische Funktion, Köln, Weimar, Wien 2003, 203-236, bes. 218-219. P.Oxy. LV 3791, Einl. S. 49-52 (mit weiterer Literatur), Komm. zu Z. 2 und zu Z. 3, S. 53-54 (mit weiterer Literatur).