Das πρακτορικόν figuriert in Registern oder Listen, die die Pächter königlichen Grundbesitzes namentlich anführen und die Größe des von diesen gepachteten Landes sowie die anfallenden oder angefallenen Gebühren (z. B. γραμματικόν, χειριστικόν) und Steuern (z. B. γεωμετρία, στέφανος) verzeichnen. Alle betreffenden Dokumente stammen aus Kerkeosiris und datieren zum Ende des 2. Jh. v. Chr. Das in der Regel in Höhe einer halben Artabe veranschlagte πρακτορικόν interpretiert J. C. Shelton als "praktor's fee" (vgl. P.Tebt. IV a. a. O.), was vermutlich im Sinne einer Gebühr zur Entlohnung der Praktoren zu verstehen ist, vgl. D. Kaltsas zu P.Paramone 8 a. a. O.
Aufgrund der sich unterscheidenden Beträge, der Herkunft und der Chronologie dürfte es sich bei dem unter II. behandelten πρακτορικόν um eine andere Gebühr handeln (?).
Als möglichen frühesten Beleg beachte noch P.Tebt. I 209, 3, 10 (= C.Ptol.Sklav. II 243; nach 12.04. 75 v. Chr.; Arsinoites); möglicherweise später als BGU II 471, jedoch nicht genauer zu datieren ist O.Stras. I 562, 1 (2.-Anfang 3. Jh. n. Chr.; Oberägypten).
Der einzige bislang (Stand: 03.09. 2018) weitere hier zu nennende Beleg – abgesehen von mehreren Urkunden, die πρ( ) oder πρα( ) in fragmentarischen Zusammenhängen überliefern – ist m. E. P.Tebt. II 298, 63 (29.07. 108 n. Chr. Tebtynis / Arsinoites).
Erläuterungen
πρακτορικόν figuriert auch in einigen wenigen Steuerlisten oder Abrechnungen, die in die Zeit vom 1. Jh. v. Chr. bis ins 2. Jh. n. Chr. datiert werden und zumeist aus dem Arsinoites stammen. Die Beträge dafür, wo angegeben und überliefert, reichen von 4 und 16 Drachmen (BGU II 471, 13, 17) bis 200 Drachmen (P.Tebt. II 345, 17, 19; P.Tebt. I 209, 3, 10) und werden bisweilen neben der Quittungs- (συμβόλου oder συμβολικόν) und der Schreibergebühr (γραμματικόν), bisweilen aber auch neben der allgemeinen Bezeichnung für Zuschläge, προσδιαγραφόμενα, genannt.
Zum Wesen der Gebühr vgl. A. S. Hunt und B. P. Grenfell in P.Tebt. II a. a. O.: "Wilcken (Ost. i. p.394) suggests that it was levied for the salary of the πράκτορες; Rostowzew (Archiv, iii. p. 205) with greater probability explains it as a charge for late payment." (Komm. zu Z. 62-4, S. 82). Allerdings wäre hier zu fragen, ob beide Auffassungen nicht auf das Gleiche hinauslaufen: Wenn die Gebühr einerseits für den Einsatz von Praktoren, also zu deren Entlohnung erhoben wurde, ließe sich Rostowzews Gedanke anschließen, demzufolge es sich bei dem πρακτορικόν gewissermaßen um eine Strafgebühr aufgrund einer verspäteten Zahlung handele; diese Deutung legt den Schluss nahe, dass die hier angesprochenen Praktoren als Vollstreckungsbeamte fungierten, vgl. dazu nFWB s. v.πράκτωρ ξενικῶν, ὁ sowie πρακτορεία ξενική, ἡ.
P.Tebt. II 298, Komm. zu Z. 62-4, S. 82 und 345, Einl. S. 172. Rostowzew, M., Kornerhebung und -transport im griechisch-römischen Ägypten, APF 3/2, 1906, 201-224, hier: 205, Anm. 1. Wilcken, U., Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien, Leipzig und Berlin 1899, Bd. I, 394.