Später, in byzantinischer Zeit werden neben der Epilepsie (ἱερὰ νόσος) vereinzelt weitere gesundheitliche Einschränkungen genannt wie σίνος und σινοσία 'Verletzung', ῥάπισμα "Prügelnarbe" (Preisigke, WB s. v.) sowie κρυπτὸν πάθος 'versteckte, nicht offensichtliche Krankheit', aber auch solche, die gewissermaßen esoterisch-spirituelle Ursachen, nämlich einen Dämon (δαίμων), haben, vgl. SB XXIV 15969, 14 (σίνος, κρυπτὸν πάθος, σύμπτωσις δαίμονος); P.Cair.Masp. I 67120, 5-6 (σινοσία, κρυπτὸν πάθος) und SB XVII 13173, 30-31, 33-34 (σίνος, κρυπτὸν πάθος, ῥάπισμα).
Erläuterungen
Die Frage nach der Bedeutung von ἐπαφή – Bezeichnet das Wort einen "dinglichen Anspruch" (Preisigke, FWB s. v.; siehe unter "Formeln"), 'Eviktion' oder eine Krankheit, die zumeist als 'Lepra' identifiziert wird? – blickt inzwischen schon auf eine lang währende Diskussion.
Ihr hat sich zuletzt J. Urbanik a. a. O. ausführlich zugewendet. Zunächst geht er in einem Exkurs den etymologischen und archäologischen Spuren einer angenommenen medizinischen Bedeutung nach, vgl. ebd. 232-242. Daraufhin zeichnet er die maßgeblichen Positionen nach, gibt dabei einen vollständigen Überblick über die verschiedenen Beiträge und kommt zum Schluss, dass ἐπαφή im juristischen Sinne – "a successful claim for eviction" (S. 243) – zu verstehen sei. Der Schlüssel zu diesem Verständnis liege in Formulierungen wie z. B. ἐὰν δέ τι τούτων ᾖ [ἢ μὴ ᾖ ὑγιὲς ἢ ἐπαφ]ὴ αὐτοῦ ἢ ἐκ μέρους γένηται καὶ ἐκνεικηθῇ (l. ἐκνικηθῇ) BGU III 887, 5-6) oder [- ca.12 - ἀναπόριφο]ν πλὴν ἐπαφῆς. ἐὰν δέ τις ἐπαφὴ γ̣έ̣ν̣η̣τ̣α̣ι, ἐγδικήσει ( l. ἐκδικήσει) ὁ ἀποδόμενος (P.Strasb. I 79, 7), die eine medizinische Bedeutung ausschließen, vgl. Urbanik 242-244. Weiterhin spreche auch die alleinig juristische Bedeutung von ἀνέπαφος ('frei von Belastungen') für diesen Standpunkt, vgl. ebd. 244.
Auch für die (oben unter "Formeln" a. E. angeführten) byzantinischen Belege verteidigt Urbanik die juristische Bedeutung von ἐπαφή, indem er auf parallele römische Gesetzesbestimmungen beim Kauf von Sklaven verweist und sowohl Krankheiten als auch rechtliche Ansprüche auf den Sklaven/die Sklavin mit den dort genannten noxa identifiziert, vgl. ebd. 245-247.
M. E. ergibt sich die Problematik insbesondere dadurch, dass mit der Mehrzahl der entsprechenden Sicherungsklauseln garantiert wird, dass die Sklavin oder der Sklave weder an Epilepsie leidet, noch irgendwelche "dinglichen Ansprüche" auf ihr bzw. ihm lasten. Die Verwunderung rührt demnach daher, dass einerseits eine konkrete Krankheit, andererseits ein anscheinend allgemeiner Zusatz angeführt werden. Das wirft die Frage auf, warum lediglich die Epilepsie und keine weitere ("typische" Sklaven-)Krankheit bzw. warum nicht allgemein νόσοι genannt werden.
Jedoch stützt der Gebrauch des semantisch verwandten und schon in ptolemäischer Zeit belegten Adjektivs ἀνέπαφος nicht nur die juristische Bedeutung von ἐπαφή, sondern zeigt auch, dass ἀνέπαφος für die rechtssprache ein durchaus konkreter Begriff war, denn er figuriert zumeist zusammen mit den ebenfalls spezifischen Ausdrücken ἀνενεχύραστος und ἀνεπιδάνειστος, vgl. dazu nFWB s. v.ἀνέπαφος, -ον (unter "Formeln").
Möglicherweise geht der oben angedeutete Widerspruch auch auf die Pragmatik zurück, mit bzw. unter der die ägyptischen Vertragstexte entstanden und die teilweise darin zu bestehen scheint, dass formelhafte Wendungen und Klauseln eine Art "Eigenleben" entwickelten; Vergleichbares deutet auch Urbanik an, vgl. S. 245: "[The deeds] are usually not pieces of legal art: they often use repetitions and superfluous clauses, just to make the parties feel more secure."
Urbanik, J., P. Cairo Masp. I 67120 recto and the Liability for Latent Defects in the Late Antique Slave Sales or Back to Epaphe, JJP 40, 2010, 219-247, bes. 232-247. Borkowski, Z., Straus, J. A., P. Colon. inv. 4781 verso: vente d'une esclave, ZPE 98, 1993, 249-252, Komm. zu Z. 12-14, S. 252 (Link zum Beitrag). P.Col. VIII 219, Komm. zu Z. 10, S. 105. P.Köln V 232, Komm. zu Z. 7, S. 271. P.Turner 22, Komm. zu Z. 4, S. 112. Dorner, L., Zur Sachmängelhaftung bei gräko-ägyptischen Kauf, Diss. Erlangen-Nürnberg 1974, 118-129. P.Oxy. IX 1209, Komm. zu Z. 19, S. 254. P.Vind.Bosw. 7, Komm. zu Z. 24, S. 35. Kübler, B., Epaphe und kein Ende, ZSR 60, 1940, 226-230. Kübler, B., Nochmals ἐπαφή, ZSR 32, 1911, 366-370. Kübler, B., Ἐπαφή, ZSR 29, 1908, 474-477. P.Hamb. I 63, S. 219-220. Mitteis, L., Grundzüge der Papyruskunde, Berlin 1952, S. 192-194 (zum Kauf von Sklaven).
dinglicher Anspruch an eine Sache. Straßb. I 79, 7 [16/5 v.]: ἐὰν δὲ ἐ. γένηται, ἐγδικήσει ὁ ἀποδόμενος, sollte aber ein dinglicher Anspruch (an den verkauften Gegenstand) geltend gemacht werden, so wird der Verkäufer die Abwehr übernehmen. – Kübler, ZSav. 1911, 366. Preisigke, Straßb. I S. 222. MGrdz. S. XI u. 194 (Literat.), mit der älteren Auffassung ἐ. = Aussatz. (Preisigke, Fachwörter, S. 81)