Möglicherweise früher, jedoch nicht genau zu datieren sind SB XVI 12290, 24 und SB XVIII 13766, 29 (beide 2.-3. Jh. n. Chr.; Herkunft unbekannt).
Vgl. noch das fragmentarische αποικ̣[ ̣ ̣] ̣in PSI Com. VI 18, 20 (3.-4. Jh. n. Chr.; Herkunft unbekannt)
Während Preisigke im Fachwörterbuch ἄ. mit ‚fern von der (eigenen) Heimatstadt wohnhaft‘ übersetzt, gibt er in seinem Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden die Übersetzung ‚Siedler‘ an (s. u. LITERATUR). Die Übersetzung im Fachwörterbuch orientiert sich jedoch an der Ursprungsbedeutung, wobei in der zweiten Übersetzung schon eine Bedeutungsverschiebung erkennbar ist. Es ist nicht mehr differenzierbar, was einen ἄ. von einem colonus (s. u. MASON) unterscheidet.
Wenn ἄ. als ‚Siedler‘ verstanden wird, ist jedoch der Ursprung des Wortes zu bedenken, vgl. z.B. Pape, der ἄ. von ἔποικος in der Bedeutung ‚Kolonist‘ abgrenzt, indem er deutlich sagt, dass ein ἄ. ein Kolonist in Bezug auf das Mutterland, ein ἔποικος ein Kolonist in Bezug auf die Pflanzstadt sei (s. u. LITERATUR). Ganz ähnlich behandelt auch Schenkl ἄ., der das Wort als ‚Kolonist mit Rücksicht auf die alte Heimat‘ und ἔποικος dagegen als ‚Kolonist mit Rücksicht auf die neue Heimat‘ übersetzt (s. u. LITERATUR). Jedoch geht Rhodes davon aus, dass diese Differenzierung zwischen den beiden Begriffen zwar angedacht gewesen, real wohl aber oft nicht unterschieden worden sei (s. u. LITERATUR). Ähnlich verhält sich ἄ. womöglich auch in Bezug auf das Wort κάτοικος: So übersetzt van Groeningen in seiner Edition zu P.Fam.Tebt. 29 sowohl κάτοικος als auch ἄ. als ‚settler‘, ohne in der Übersetzung selbst zwischen diesen beiden Begriffen zu differenzieren. Hinzu kommt noch die Ähnlichkeit der Formulierung in diesem Papyrus, wo es in Z. 27f. [Ἡράκλε]ια̣ Ἑρμους τοῦ Διδ[ύ]μ̣ου Ἀντινοῒς κάτοικος τῶν ἐν τῷ [Ἀρσινοε]ίτῃ Ἑλληνίδων heißt, jedoch nur wenig später, in Z. 50ff.: τὸν ἄνδρα μου Ἡρα[κλείδη]ν̣ [τὸ]ν̣ καὶ Ο̣ὐ̣αλέριον̣ Ἡρακλείδου Ἀντινοέα ἄποικον τῶν [ἐν Ἀ]ρ̣σινο̣είτ̣[ῃ] ἀν̣[δρ]ῶν Ἑλλήνων. Van Groeningen geht sogar davon aus, dass ἄ. gar nicht zu den anschließenden Worten τῶν ἐν Ἀρ̣σινο̣είτ̣ῃ ἀν̣δρῶν Ἑλλήνων auftauchen müsse, da es keinen Bedeutungsunterschied mache (s. u. LITERATUR). Zu P.Fam.Tebt. 30, wo ἄ. viermal vorkommt, verweist er auf die o.g. Anmerkung (s. u. LITERATUR). Er nimmt also folglich an, dass ἄ. nicht mehr so differenziert verstanden worden ist. Eine ähnliche Ansicht findet sich auch im DGE, wo ἄ. unter I 2 als ‚habitante‘ für P.Oxy. IV 719, 2 übersetzt wird (s. u. LITERATUR). Ganz anders interpretiert Bell ἄ. (s. u. LITERATUR): Er hält eine Bedeutungsverschiedenheit des Wortes zwar für möglich, doch eher für wahrscheinlich, dass die Bedeutung einheitlich verwendet werde. Zudem zeigt er verschiedene Verständnismöglichkeiten von ἄ. auf, indem er auf zweierlei Weise den Ausdruck aus P.Fam.Tebt. 30, 3 übersetzt. So kann Ἡρακλείδη[ς] Ἀντινο(εύς), ἄποικ(ος) Ἀρσι(νοΐτου) ἀνδρῶν Ἑ̣[λ]λήνων nach Bell bedeuten, dass dieser Herakleides ein Kolonist der Stadt Antinoopolis vom Gau Arsinoites her (stammend) war oder dass er ein Bürger von Antinoopolis war, der außerhalb der Stadt und zwar in seiner Heimat (hier) in dem Arsinoites-Gau wohnte. Ganz ähnlich versteht auch Preisigke ἄ. (s. u. PREISIGKE FWB). Diese von Bell und Preisigke vertretene Auffassung von ἄ. kann jedoch nicht gemeint sein. Wie Preisigke selbst sagt, bedeutet ἄ., dass jemand fern von seiner eigenen Heimat(stadt) wohnt, und es ist klar, dass an dieser Stelle mit der Heimat nur der Arsinoites gemeint sein kann und nicht etwa die Stadt Antinoopolis, welche gerade neu besiedelt worden war. Der neue Bürger von Antinoopolis wird aber vermutlich noch Privilegien seiner alten Heimat (hier des Arsinoites) gehabt haben, weswegen die Herkunftsangabe auch sinnvoll war. Von gewissen Privilegien der ἄποικοι geht auch Wilcken aus (s. u. LITERATUR). Zusätzlich benennt Kühn, wenn er die Besiedlung von Antinoopolis erläutert, ἄ. als Terminus technicus (s. u. LITERATUR): Er verweist für P.Fam.Tebt. 29, 51 darauf, dass Herakleides zwar Bürger von Antinoopolis sei, aber zugleich die Herkunft als Kolonist des Arsinoites betonen möchte, da die Besiedlung von Antinoopolis noch ganz frisch sei. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Kontext der Ausdruck τῶν ἐν τῷ Ἀρσινοΐτῃ ἀνδρῶν Ἑλλήνων. Wilcken vermutet sogar, dass sich der Hellene bei Verwendung dieses Ausdrucks „von der wahrscheinlich stark semitischen Bevölkerung […] abheben“ wollte (s. u. LITERATUR). Auf jeden Fall wird hierdurch deutlich, dass diese Hellenen sich als Gruppe kennzeichnen und wohl auch hervorheben wollten.
Zudem ist zu beobachten, dass der Ausdruck τῶν ἐν τῷ Ἀρσινοΐτῃ ἀνδρῶν Ἑλλήνων nur für das Jahr 133 n. Chr. in Verbindung mit dem Begriff ἄ. vorkommt. Zuvor (ab 128 n. Chr.) findet sich der Ausdruck im Zusammenhang mit der Zahlenangabe 6475 dieses Zusammenschlusses von Griechen bzw. den Verweis auf diese, vgl. SB XVI 12345, 7; BGU XIII 2220, 5; P.Mil.Vogl. I 26, 4. Später (ab 147 n. Chr.) findet sich der Ausdruck nur noch in Verbindung mit κάτοικος, vgl. P.Rain.Cent. 60, 4 und SB IV 7393, 3. Dieser Befund spricht für Kühns Überlegung, dass gerade die ersten Bürger von Antinoopolis auf ihre Herkunft verwiesen (s. u. LITERATUR). Überdies nahmen diese Hellenen im Arsinoites wohl eine Sonderstellung ein: Nach Plaumann waren sie „die Elite des wirklichen Griechentums“ (s. u. LITERATUR). Dies taten sie nicht nur durch den Ausdruck τῶν ἐν τῷ Ἀρσινοΐτῃ ἀνδρῶν Ἑλλήνων kund, sondern eben auch durch das Wort ἄ., welches zwar nicht mehr auf eine Mutterstadt zurückverwies, jedoch auf die feste Gruppe der im Arsinoites lebenden Griechen. Auf ähnliche Weise ist demnach auch der in Preisigkes FWB zu ἄ angeführte Beleg Chr.Wilck. 31, 6 zu interpretieren: Anubion, Bürger vom Memphis, hat einen gleichnamigen Vater, der freilich ebenfalls Memphit war, aber auch noch als ἄ. von Heliopolis bezeichnet wird, d.h. als einer, der fern von seiner Heimatstadt Heliopolis wohnt. Im gleichen Satz findet sich für den Sohn die Information, er sei zudem ein ἀπὸ γυμνασίο(υ): nach Wilcken ein Terminus technicus zur römischen Kaiserzeit für Leute (inkl. deren Familien), die das Gymnasium besucht und dadurch eine privilegierte Klasse dargestellt haben (s. u. LITERATUR). Anubion hatte folglich das Bürgerrecht von Memphis und das Privileg eines ἀπὸ γυμνασίου. In diesem Zusammenhang ist wohl auch die Erwähnung, dass der Vater ein ἄ. war, zu sehen. So versteht sich auch, dass in P.Oxy. IV 719, 2, 9, 11 ein gewisser Didymos ebenfalls erwähnt, dass er ein ἄ. von Heliopolis ist, auch wenn er ein Grundstück im Oxyrhynchites erwirbt. Wenn ἄ. demnach als ‚Siedler‘ übersetzt wird, ist der Verweis auf den Herkunftsort impliziert, wie es auch bereits Pape und Schenkl (s.o.) durch ihre Übersetzungsvorschläge für ἄ. taten. Dies legen die ἄ. belegenden Papyri mit expliziten Herkunftsangaben nahe, wobei es weniger darum geht, durch sie eine Heimatverbundenheit auszudrücken, sondern vielmehr um Privilegien, die diese Herkunft mit sich brachte.
Adrados, R., DGE, Bd. 1, S. 418 s.v. (Link zur online-Version). Bell, H., L. Mitteis und U. Wilcken: Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde, Klio 13, 1913, hier: 492f. Kühn, E., Antinoopolis, Göttingen 1913, hier: 88. Pape, W., WB, Bd. I, S. 304 s.v. (Link zur online-Version). P.Fam.Tebt. 29, Komm. zu Z. 51, S. 120. P.Fam.Tebt. 30, Komm. zu Z. 3, S. 122. Plaumann, G., Die ἐν Ἀρσινοíτῃ ἄνδρες Ἕλληνες 6475, APF 6, 1920, hier: 182. Preisigke, F., WB Bd. 1, Sp. 179 s.v. Rhodes, P., DNP, Bd. 4, Sp.1 s.v. Epoikia. Schenkl, K., WB, S.468 s.v. Kolonist. Wilcken, U., Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde, Bd. 1, Teil 1, Leipzig-Berlin 1912, hier: 53, 61f. u. 144.
Arsinoites (1), Heliopolites (1), Hermopolites (1), Memphites (1) und zweimal ist die Herkunft nicht zu bestimmen. (Stand: 29.06. 2016)
Es finden sich in den griechischen Papyri demnach für dieses Wort scheinbar außergewöhnlich wenig Belege, welche zudem auch nur in einer kurzen Zeitspanne von 60 Jahren im 2. Jh. n. Chr. anzutreffen sind. Ansonsten kommt ἄ. in den griechischen Texten recht oft vor: In der TLG-Datenbank ist es mit 698 Stellen seit der 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr. bis zum 12. Jh. n. Chr. häufig belegt. Da ἄ. jedoch ursprünglich einen Rückverweis auf die (griechische) Pflanzstadt macht, die es als solche bei der Besiedlung Ägyptens nicht mehr gab, ist es wenig verwunderlich, dass auch der Begriff ἄ. an Bedeutung verliert und somit in den Papyri nur wenig belegt ist.
Preisigke, FWB:
fern von der Heimatsstadt (ἰδία) wohnhaft. – Bell, Klio 13, 492 (Lond. ined.): ὁ δεῖνα Ἀντινοεὺς ἄποικος Ἀρσινοίτου. Lond. II S. 209 Nr. 317,5 [156 n.]: Ἀνουβίων Ἀνουβίωνος Μεμφείτης υἱὸς ἀποίκου Ἠλίου πόλεως, der Sohn ist Bürger von Memphis, der Vater natürlich ebenfalls, hielt sich aber ständig in Heliopolis auf. W Grdz. 53 dagegen: „Kolonist“ von Heliopolis. (Preisigke, Fachwörter, S. 27)